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Rapunzel und die Angst, Teil 2

Am ersten Tag nach ihrer Ankunft begann Raiponce, wenn ich ihr Zimmer betrat, aus ihrem Versteck zu kommen und wegzulaufen. Sie bewohnt ein Zimmer und den angrenzenden Teil einer offenen Scheune.

Sie befand sich noch immer im flight/fight/freeze Modus. Also: Flucht, Angriff oder Einfrieren. Als sie ankam, war es das Einfrieren, sie kauerte sich in eine Ecke und bewegte sich nicht mehr. Jetzt kam der Flucht-Modus. Sie wollte weg, suchte den Ausgang.

Als sie im Februar in das Tierheim kam, beschrieb man sie als sehr freundlich und neugierig. Man war dort sicher, man könne sie in wenigen Tagen anfassen. Es tut mir leid, aber ich habe laut gelacht. Never ever! Und so kam es dann auch. Plötzlich hieß es dann, sie wäre nicht mehr ganz so aggressiv.

Sehr lustig. Vermutlich hat man versucht sie mal eben zu sozialisieren, so nebenbei, zwischen Füttern und Putzen.

Ich lasse sie in Ruhe. Ich bin überzeugt, sie würde sich verteidigen wenn ich ihr zu nahe käme. Ich weiß nicht wieso ich das a) riskieren soll und ich ihr b) diesen Stress antun soll?! Haben wir keine Zeit??

Was kommt nach freeze und flight? Das Zittern. In der zweiten Nacht hat sie gefressen. Wenn ich zu ihr gehe, läuft sie nicht mehr weg. Sie liegt in ihrer Ecke und schaut mich an. Dann schaut sie wieder weg und ihr ganzer Körper zittert. Das ist gut.

A) sie nimmt Kontakt zu mir auf, sie sieht mich direkt an, sie beginnt ihre Umwelt zu beobachten.
B) sie flieht nicht mehr.
C) ihr Körper verarbeitet die Angst (an einem für sie sicheren und ruhigen Ort) – sie zittert.

Was tut man als Mensch in dieser Situation?

Man lässt den Hund in Ruhe!!!

Bitte bitte bitte – nicht trösten oder beruhigen. Nicht nötigen etwas zu essen oder zu trinken. Nicht anfassen.

Ich habe hier Hunde, die haben Wochen unter dem Sofa verbracht. Das ist ok. Raiponce ist bei uns. Sie kann uns hören und riechen und wenn sie möchte auch sehen. Aber sie wird durch einen Sichtschutz geschützt. Das ist beruhigender für sie und auch für die anderen sieben die hier zur Zeit leben.

Unser Körper muß Angst verarbeiten können. Das braucht Zeit. Wenn wir unserem Körper diese Chance nehmen, indem wir eingreifen, womöglich das Tier (oder auch den Menschen) ruhig stellen, kann das Gehirn das erlebte nicht verarbeiten. Das Trauma bleibt dann in dem Gehirn stecken und kommt immer wieder. Die Dämonen. Die Panik. PTBS. Ja, das gibt es auch beim Tier. Überraschung. Säugetier: gleiches Gehirn, Nerven, System.

Das aller aller wichtigste ist, ihr zu vermitteln, sie ist jetzt sicher. Aber das muß sie in ihrem Tempo „erfahren“ und „begreifen“.

Ich sehe oft Bilder von den ankommenden Transportern aus Rumänien. Ja, die Menschen freuen sich endlich ihren Hund in die Arme nehmen zu können. Und dann sehe ich Bilder, da liegen Hunde, die nur die Straße und das Tierheim kennen, nach 48 Stunden Fahrt auf dem Rücken, auf der Straße und wildfremde Menschen beugen sich über sie und herzen und küssen sie und beruhigen sie. Und diese Bilder bekommen Herzchen. Und ich könnte nur noch kotzen. Sorry.

Lasst die Tiere doch bitte erst mal ankommen und euch kennen lernen.

Wenn sich ein Hund auf den Boden wirft und alle viere von sich streckt, dann steht er unter massivem Stress. Das ist Todesangst. Er unterwirft sich und zeigt seine verwundbarste Stelle. Ich verlange von niemandem, sich mit Angsthunden auszukennen. Aber so ein bisschen Körpersprache. So ein bisschen Hundesprache. Etwas Verständnis. Wenigstens die Beschwichtigungs- oder Streß-Signale.

Und im Zweifel, einfach mal überlegen: möchte ich, daß jemand mit mir so umgeht??

Die wilde Sieben

Und dann sind da ja noch die anderen. Die wilde Sieben. Zwei Border Collies und fünf weitere Rumänen aus Pascani. Was tun sie? Sie pinkeln ins Haus. Hui.
Naja, sie wissen, da ist ein Neuer in ihrem Revier. Also müssen sie ihr Revier verteidigen und abgrenzen und ein Statement setzten.

Warum ich das erwähne? Falls das hier jemand liest: ich möchte einfach darauf hin weisen, daß es zur Kommunikation unter Hunden gehört und nicht böse gemeint ist. Fertig.

 
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Verfasst von - 30/04/2022 in Coaching

 

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Was tun, wenn der Hund in Panik gerät?

Ruhe bewahren!

Klingt jetzt ein bisschen überheblich, ich weiß. Aber ich hab da Erfahrung… und ein paar Geschichten möchte ich heute mit euch teilen.

Tim.

Tim ist drei mal in der Innenstadt abgehauen, öfters mal am Rande der Stadt, von einem Balkon im 1. Stock gesprungen, aus einem Fenster im 1. Stock, etliche male bei Spaziergängen geflüchtet und in den Pyrenäen im Winter bei Eis und Schnee in einen Gebirgsbach gesprungen. Und das nicht, weil er Hasen jagen wollte, sondern weil er in Panik ausbrach. Das Blöde dabei ist, daß der Hund in einer solchen Situation nicht mehr ansprechbar ist. Das sich der Trigger, der den Hund in Panik versetzt, meist nicht abstellen lässt, macht die Situation nicht einfacher.

Was also tun in einer solchen Situation? Ich schreibe aus meiner Erfahrung. Andere Menschen werden vermutlich andere Erfahrungen gemacht haben.

Sicherheit

Zu aller erst sollte man einen solchen Hund gut sichern. Es gibt inzwischen Geschirre, die speziell für Angsthunde sind und mit drei Gurten bis unter den Unterbauch gehen, sogenannte Panikgeschirre. Dazu sichert man seinen Hund gut ab, indem man ein Geschirr mit Leine und ein Halsband mit Leine hat. Doppelt hält besser. Wenn die anderen im Park blöd gucken – ignorieren. Es geht um die Sicherheit deines Hundes und im schlimmsten Fall um Leben und Tod. Einen Hund der einen Autounfall verursacht will auch keiner. Dazu sollte der Hund eine Marke haben, die er nicht verlieren kann. Im Zweifel also ein zweites Halsband, an dem keine Leine ist oder die Tätowierung im Ohr. Ich habe schon alles erlebt. Hunde die sich aus Sicherheitsgeschirren wie auch aus Halsbändern winden – und am Ende steht man da mit Leine und Geschirr und Marke in der Hand und der Hund ist weg.

Nun hat der Hund sich befreit und läuft weg.

Manchmal hilft es, nicht hinterher zu laufen. Versuche die Aufmerksamkeit deines Hundes zu bekommen und bewege dich in eine andere Richtung. Bei Tim hat das des öfteren gut funktioniert. Zum Beispiel am Rhein: er bekommt Angst vor einem Geräusch und läuft weg, ich laufe in eine ganz andere Richtung, weg vom Geräusch, aber auch weg von ihm – das gefällt ihm nicht und er beginnt mir zu folgen, weil er nicht alleine fliehen will. Glück gehabt. Ich durfte ihn aber auch schon im Tierheim abholen weil die Polizei ihn irgendwo wieder gefunden hat.

Tim hat extreme Angst vor knallenden Geräuschen. Das kann der Golfplatz sein (am Rhein in Düsseldorf), klatschende Paddel von Kanus auf dem Fluß, Ball-spielende Kinder, Gewehrschüsse – völlig egal. Kinder machen ihm sehr viel Angst. Meist läuft er weg und versteckt sich irgendwo. Wenn man ihm ruhig folgt, hat man gute Chancen ihn wieder einzusammeln.

Darf ich meinen Hund auf den Arm nehmen?

Es kommt aber auch vor, daß er sich auf den Boden schmeißt und alle vier Pfoten in die Luft streckt und sich nicht mehr bewegt. Das ist nicht lustig. Er spielt dann wirklich toten Hund und ist nicht mehr in der Lage weiter zu gehen. Er kann sich auch wie ein Igel einrollen. Nun gibt es einige Trainer, die mir erklärt haben, ich müsse dann einfach an der Leine ziehen und rucken und weiter gehen. Im Ernst, ich ziehe dann 15 kg toten Hund hinter mir her. Das soll die Lösung sein?? Ja, der Hund steht ja dann auf und kommt mit. Nein, tut er nicht!! Und als Hunde-Physiotherpeutin habe ich damit ein Problem, einen 15 kg Hund an einem Halsband hinter mit her zu ziehen. Also, was tun? Es kann tatsächlich helfen ihn zu tragen. Nein!!! schreien da die Hundetrainer, das macht alles nur noch schlimmer!! Nein, sage ich, macht es nicht. Weiß ich aus Erfahrung. Es hilft gar nicht, Tim hinter sich her zu ziehen. Aber wenn ich ihn hoch hebe und nur fünf Meter aus der Situation heraus trage, kann ich ihn wieder absetzten und er kann normal weiter laufen. Wo zur Hölle ist das Problem wenn es dem Hund hilft???

Tim hat auch schon in Cafe´s die Tische abgeräumt. Weil er Panik bekam und weg wollte und da stand dann halt ein Tisch und alle Gläser flogen durch die Gegend. Das hat ihn dann meist noch mehr erschreckt und er verkrümelte sich unter irgendeinem Stuhl.

Nach acht Jahren ist er inzwischen recht stabil. Von Anbeginn war er so klug, bei Spaziergängen zurück zum Auto zu flüchten und sich unter dem Auto zu verstecken bis wir zurück kamen. Also, ich kann mich da auf ihn verlassen. Auch wird er nicht aggressiv und fängt an zu beissen, daß ist ein großer Vorteil. Aber er kann sich winden wie eine Katze.

Darf ich meinen Hund beruhigen?

Ja. Es kommt ganz darauf an, mit welcher Energie wir auf die Panik unseres Hundes reagieren. Wenn wir voller Mitgefühl mitleiden, dann werden wir unseren Hund in seiner Angst bestätigen. Wenn wir aber ruhig bei ihm sind, ihm eine Hand reichen, eine Hand auf seinen Rücken legen, mit ihm ruhig und klar sprechen, dann signalisieren wir, daß alles in Ordnung ist. Wir haben die Situation im Griff, wir helfen unserem Hund da durch. Wir lassen ihn nicht alleine!!! Hunde sind sehr soziale Wesen und wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir auf die Not unseres Hundes eingehen. So wie wir auf die Angst eines vier jährigen Kindes eingehen würden. Das würden wir auch nicht ignorieren. Hoffe ich.

Wenn das Gehirn in Panik gerät

Es ist wie beim Hund wie bei uns Menschen, wenn das Gehirn in Panik verfällt, ist klares Denken nicht mehr Möglich. Es gibt nur noch Flucht oder Kampf oder Einfrieren. Das wird aber nicht mehr vom Verstand gesteuert, der noch ansprechbar währe. Also sollte es nicht verwundern, wenn ein Hund in dieser Situation nicht mehr in der Lage ist, eine Leckerchen zur Ablenkung an zu nehmen.

Was tun? Die Lernzonen beachten und den Druck langsam aufbauen. Also zu erst schauen, bis wohin mein Hund in der Lage ist, mit einer Situation klar zu kommen. Und dann wird dort Vertrauen aufgebaut. Von dort geht man Schritt für Schritt weiter in die Angst- und Lernzone. Angst ist zu einem gewissen Grad in Ordnung. Sie will uns schützen, aber wir sind noch in der Lage zu lernen, gute Erfahrungen zu machen. Wenn wir aber zu weit gehen, kippt das ganze und Panik bricht aus. Dann ist es vorbei mit dem Lernen.

Auf jeden Fall ist Angst nicht gleich Angst und es ist nie hilfreich, selber in Panik zu verfallen. Es ist auch nicht jeder Hund gleich. Wer also mit einem Angsthund zusammen lebt, sollte sich professionelle Hilfe holen. Es ist gut Möglich, daß man da etwas suchen muß. Denn wie schon beschrieben, nicht jeder Trainer ist dafür geeignet. Gewalt ist bei Angst nie die Lösung.

Außerdem kann man so eine Therapie sehr gut unterstützen mit Bachblüten, Akupunktur oder Osteopathie.

 
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Verfasst von - 27/04/2022 in Coaching

 

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