
Heute schreibe ich über ein Thema, das sehr viele meiner Klientinnen und Klienten bewegt: es klingelt an der Tür.
Hier soll es jetzt nicht um den Lieferdienst gehen, sondern um Besuch, um Gäste, die eingeladen wurden und nun erwartet werden.
Das Vorspiel
Ich nenne es einfach mal so. Was nämlich vielen nicht bewusst ist, das Drama beginnt schon vor dem Eintreffen der Gäste.
Da wird geplant, dann wird geputzt und gekocht und dekoriert. So, wie man es nicht jeden Tag tut. Die Stimmung ändert sich. Vorfreude ist gepaart mit Aufregung, eventuell sogar Frust. Schnell noch selber fein machen. Das Dessert, der Tisch, der Aperativ.
Vielleicht lästert man über die neue Freundin eines alten Bekannten. Oder sie muß für ihren Mann eine Party schmeissen und sich als tolle Ehefrau präsentieren und würde viel lieber mit den Freundinnen ins Kino gehen.
Und mittendrin: der Hund. Er liegt im Weg. Er versucht zu verstehen, was da passiert. Denn es passiert ja offensichtlich etwas, die Stimmung ist angespannt.
Es klingelt
Alle sind aufgeregt und rennen zur Tür. Der Hund auch. Denn da steht ein Fremder vor seinem Revier und will rein.
Ja, es gibt Hunde, die mögen Besucher, und es gibt Hunde, die mögen bestimmte Besucher. Aber selbst die sind erst einmal aufgeregt.
Nun passiert folgendes: der Korridor – oder die Diele, der Hausflur, der Eingangsbereich – ist meist ein schmaler Schlauch. Eben ein Korridor. Da ist nun die Tür und in der Tür stehen fremde Menschen. Frontal zu diesen Eindringlingen stehen die eigenen Menschen und meist vor ihnen – weil kleiner – der Hund.
Hunde vermeiden es frontal aufeinander zu stoßen. Frontale Begegnungen sind eine Provokation. Hunde bewegen sich in Kreisen umeinander, so können sie sich auf Distanz beschnuppern und zur Not gekonnt aus der Affäre ziehen: sorry, kein Interesse!
Aber so wie auf einem schmalen Weg oder Bürgersteig, hat der Hund in einem Korridor keine Chance der Situation aus dem Weg zu gehen. Er steht da jetzt, frontal vor den Eindringlingen, die Stimmung ist aufgeheizt und hinter ihm seine Leute.
Was jetzt oft passiert ist noch schlimmer: die Fremden beugen sich über den Hund um den Hund zu begrüßen. Ach ist der süss! Und schon hat Hund ungefragt die Hand im Gesicht. Je kleiner und niedlicher der Hund – desto schlimmer die Leute.
Das ist absolut unhöflich! Und nicht ungefährlich. Es gibt Hunde, die können Grenzen setzten. Ich bin nur ein Mensch, aber ich mag diese Bedrängnis gar nicht und wenn ich Hund wäre, ich würde schnappen. (Mein Diesel hat das auch gemacht 😉 )
Wie kann ich meinem Hund helfen?
Zuerst: rede mit deinem Hund. Sag ihm einfach was passiert. Wie man es einem kleinen Kind sagen würde: heute kommen Klaus und Marie zum Abendessen und deswegen muß ich jetzt hier mal staubsaugen.
Dann sollte der Hund einen Rückzugsort haben. Im Idealfall durfte er sich den selbst aussuchen. Und das ist nicht der Platz unterm Esstisch! Das ist der Platz wo man ihn nicht finden soll wenn er seine Ruhe haben will. Das ist der Platz, wo man ihn auch in Ruhe lässt, wenn er sich dorthin zurück zieht. Wenn man es im Vorfeld geschickt angestellt hat, kann man ihn jetzt dort hin schicken und er bleibt dort liegen. Das ist kein Hexenwerk, das kann man trainieren.
Man kann den Hund auch aus der Situation nehmen, indem man ihn vorübergehend bei Ankunft der Gäste in ein Zimmer bringt und die Tür zu macht. Manche Hunde möchten auch auf die Terrasse. Wenn der Hund das ablehnt, könnte es durchaus sein, daß du, beziehungsweise dein Hund, ein kleines Kontroll-Problem hat. Dann solltest du auf jeden Fall daran arbeiten. Denn es ist nicht Aufgabe deines Hundes die Gäste zu begrüßen und so die Situation zu kontrollieren.
Außerdem: sag deinen Gästen, sie mögen deinen Hund bitte zu Beginn ignorieren. Heißes Eisen! Ich bin gar kein Fan vom ignorieren der eigenen Hunde. Ich tu das auch nicht. Wenn ich weg gehe und wieder komme gibt es ein Begrüßungsritual: die Hunde dürfen alle meine Taschen durchsuchen. Aber wenn Fremde kommen, ist das etwas anderes. Und kein Hund braucht die Hand unter der Nase um schnuppern zu können! Hunde riechen den Eindringling auch aus einem anderen Zimmer.
Also, Hund aus der Situation raus nehmen, den Gästen sagen sie mögen ihn bitte in Ruhe lassen und wenn alle da sind wo sie hin gehören, kann man den Hund dazu holen. Es dauert bis alle ihre Jacke auf gehangen haben, das Gastgeschenk gebührend bewundert wurde, man die neue Frisur oder den Teppich gelobt hat und endlich mit seinem Apero irgendwo Platz genommen hat.
Das alles ist Stress für den Hund. Wenn er im Anschluß dazu kommt, hat er die Chance alle zu begrüßen und sich seinen Platz in dem Geschehen zu suchen. Von mir aus auch unter dem Esstisch.
Das Bild oben habe ich nicht zufällig gewählt. Es zeigt meinen Vater mit Tim, Diesel und Cali. Auch ohne Leine bevorzugen es meine Hunde in einem Korridor, beziehungsweise schmalen und unübersichtlichen Weg – wie hier im hohen Gras – hinter uns zu laufen! Und nicht vor uns wo sie allem was uns entgegen kommen würde völlig ausgeliefert wären.
Ja, aber…
Ich hasse dieses „aber“. Wenn ein Satz schon so anfängt ist jegliches Gespräch meist hoffnungslos (ich versuch es jetzt trotzdem). Ja, aber mein Hund freut sich immer voll wenn Leute kommen und macht ein mega Theater und flippt völlig aus…
Ja. Es wäre in diesem Fall wirklich gesund mal darüber nachzudenken, warum der Hund so ausflippt. Das ist Stress. Stress kann eine Überreaktion auslösen. Entweder weil der Hund überfordert ist, überreizt und die Situation nicht kontrollieren kann oder weil er der Situation nicht entkommen kann. Der Hund versucht sich selbst zu kontrollieren und die Situation. Das ist sein Haus und seine Familie. Der wird da nicht einfach so das Feld räumen.
Es gibt Hunde, die freuen sich. Meine Hunde freuen sich wirklich, wenn mein Vater zu Besuch kommt. Aber wir müssen gut beobachten und fein unterscheiden, wann das Verhalten wirklich Freude ist und wann Stress und wann es sogar gefährlich werden kann weil der Hund die Kontrolle behalten will und sein Revier verteidigt. Im Zweifelsfall fragt den Hundetrainer oder Coach oder Therapeuten eures Vertrauens.