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Der Hund und das Auto

Aktuell betreue ich eine Klientin, deren Hund sehr ungern, bzw. gar nicht, in das Auto einsteigen möchte.

Da wir mit dem Training sehr gute Fortschritte machen, werde ich die Umstände nutzen und ein bisschen über meine Erfahrungen berichten, Fakten, Umstände und Anekdoten.

Warum wird Hunden im Auto oft übel?

Das hat mit der Wahrnehmung zu tun. Ähnlich wie wenn wir auf einem Schiff stehen. Wir können sehen, daß sich alles bewegt. Wir fühlen, daß sich alles bewegt. Unser Innenohr, zuständig für unseren Gleichgewichtssinn, reagiert auf die Bewegung. Das Problem dabei ist, wir bewegen uns nicht. Unser Körper steht still.

Genau so geht es dem Hund. Er nimmt die Bewegung wahr, bewegt sich selber aber nicht. Das ist für das Nervensystem extrem verwirrend und der Körper reagiert mit Übelkeit.

Ideal ist es, wenn der Hund einsteigt, sich hin legt und schläft.

Natürlich gibt es immer Hunde, die gar kein Problem mit dem Autofahren haben und denen es sogar Spaß macht. Sollte dein Hund aber zu Übelkeit neigen, ist das eine völlig normale Reaktion des Körpers und keine böse Absicht.

Kalisto

Kali ist ein kleiner Straßenhund aus Rumänien. Zu Beginn fand er Autofahren ganz schrecklich. Sobald er im Auto war, wurde ihm übel, er fing an zu speicheln und es dauerte nicht lange und er erbrach sich mehrfach. Mit viel Geduld und regelmäßigem Fahren haben wir das einigermaßen in den Griff bekommen.

Das Interessante daran ist für mich, daß Kali alleine einsteigt. Wenn die Heckklappe auf ist, hüpft er ins Auto. Ich muß ihn nicht drängeln oder ziehen und rein heben. Er steigt freiwillig von ganz alleine ein. Obwohl ihm immer noch übel wird.

Also scheint die Übelkeit kein Hindernis für ihn zu sein, nicht mit fahren zu wollen.

Warum man den (ängstlichen) Hund nicht ins Auto heben sollte.

Wenn irgend möglich, sollte der Hund von alleine einsteigen können. Heute gibt es zahlreiche Rampen und Treppen, die jedem Hund bei fast jedem Auto das Einsteigen erleichtern. Warum das so wichtig ist?

Gerade wenn ein Hund das Auto nicht so sehr schätzt, ist es wichtig, daß er Vertrauen gewinnt. Er wird aber kein Vertrauen aufbauen, wenn man seine Grenzen nicht respektiert.

Man stelle sich vor, man hat vor etwas wirklich Angst, zum Beispiel Spinnen. Und dann kommt jemand, nimmt die Hand und zerrt einen zu einer dicken fetten Spinne. Wie würden wir uns fühlen? Was würden wir über diese Person denken? Wir wären vermutlich not very amused.

Das gilt auch für den Hund. Ein Hund wird in seiner Natur nie-nicht hochgehoben. Außer als Welpe von Mama. Danach nie wieder. Er steht auf seinen vier Pfoten, ist geerdet, läuft alleine durch die Welt. Und jetzt kommt da einer, der ihn einfach packt, hochhebt und gegen seinen Willen in das Auto stopft. Manche Hunde erdulden das. Andere Hunde bekommen Angst und schnappen. Und wieder andere finden das total lustig. Aber um die geht es hier gerade nicht. Es geht um die, die das völlig zu Recht überhaupt nicht lustig finden.

Es ist für den Hund eine völlig andere Erfahrung, wenn er die Wahl hat und selbständig einsteigen kann. Freiwillig, weil er es kann, weil er es möchte. Natürlich steht am Ende die Idee, daß der Hund einsteigen soll. Man will ja irgendwo hin. In den Park, ans Meer oder zum Tierarzt. Aber einem ängstlichen Hund hilft man viel mehr, wenn man zu Beginn Zeit investiert und ihm zeigt, wie er das alleine schaffen kann. Zu dem Wie später mehr.

Warum ein gutes Training sinnvoller ist als Beruhigungspillen.

Inzwischen gibt es allerlei Medikamente und Präparate um den Hund ruhig zu stellen. Von Bachblüten bis hin zu richtig starken Sedativen. Bachblüten finde ich völlig in Ordnung. Ich habe allerdings noch nie erlebt, daß die wirklich etwas genutzt haben. Bei meinen Hunden zumindest nicht.

Sedative lehne ich in der Regel ab. Warum? Weil es so eine Art K.O.-Tropfen für Hunde sind. Man stelle sich vor, man kommt in eine Situation, in der man Angst hat. Und dann kann man sich nicht wehren. Ein ängstlicher Hund wird immer versuchen, die Kontrolle zu behalten. Wenn ich den jetzt mit Gewalt ruhig stelle, bzw handlungsunfähig mache, wird er mit aller Kraft versuchen dagegen anzukämpfen.

Das kann richtig böse nach hinten los gehen. Der Hund ist noch gestresster als er es ohnehin schon wäre. Der Hund fängt an unkoordiniert zu schnappen. Schlimmstenfalls gibt es einen Kreislaufzusammenbruch.

Ja, im absoluten Notfall haben wir manchmal keine andere Wahl. Aber solange wir die Zeit und die Möglichkeit für ein gutes Training haben, sollten wir Medikamente nur als Notfall-Lösung betrachten und nicht als einfach Lösung, die für uns am bequemsten ist.

Dein Hund wird es dir danken.

Tim

Tim ist ein Border Collie aus dem Tierheim. Er hat vier Jahre in einem Käfig gelebt. Als er zu mir kam, wusste er nichts von der Welt und dem Leben da draussen. Er musste alles lernen, dazu kam eine panische Angst vor allem und jedem.

Das Autofahren war jetzt auch nicht so seins, aber er hat sich extrem schnell daran gewöhnt. Auch er steigt von alleine ein.

Und er hat sehr schnell begriffen, daß das Auto sein Schutzraum ist, sein Panic-room.

Er hat es zu Beginn immer wieder geschafft, sich aus diversen Geschirren zu befreien. oder er bekam einfach Panik und rannte los. Das Beeindruckende für mich war, daß er immer zurück zum Auto geflüchtet ist und sich dann unter dem Auto versteckt hat. Dort hat er gewartet, bis wir kamen und ihn rein gelassen haben.

Wenn er draussen in der Welt mit etwas überfordert ist, versteckt er sich in seinem Auto.

Wie baue ich das Auto-Training auf?

Es ist weniger ein Training, sondern mehr ein Lehrstück. Ich möchte das der Hund lernt, daß er alleine in das Auto einsteigen kann.

Es ist ein bisschen so, wie mit einem Kind am Beckenrand vom Pool. Der Erwachsene steht im Pool und das Kind soll springen, der Erwachsene wird das Kind auffangen. Das Kind hat völlig natürlich Bedenken. Jetzt kann man Druck machen, das Kind erpressen, bedrohen, schubsen. Wir alle wissen, daß das nicht viel bringen würde. Das Kind würde jegliches Vertrauen verlieren.

Wie bei der Spinne.

Wenn wir uns im Vorfeld die Zeit genommen haben, um Vertrauen aufzubauen, dann wird das Kind vielleicht noch zögern, weil es sich überwinden muß. Aber wenn es dann gesprungen ist, wird es sich super gut fühlen, es wird stolz sein und es gleich noch einmal probieren wollen. Am Ende ersparen wir uns und dem Kind viel Zeit und Drama.

Was bedeutet das für den Hund? Es ist ganz wichtig, im Vorfeld Vertrauen aufzubauen. Das bedeutet, die Hundesprache zu verstehen. Dem Hund zuzuhören, ihn wahr zu nehmen und auf seine Grenzen zu achten. Ich will am Beispiel von Soda (mein aktueller Fall) erklären, wie wir bis jetzt vorgegangen sind.

Sodas Frau ist sehr hundeerfahren. Sie hat bereits alles probiert. Mit Leckerchen (ist blöd wenn dem Hund übel wird). Sie hat viel Zeit und Geduld aufgebracht, dem Hund das Auto schön zu reden, alle bekannten Methoden angewandt, gewartet, geübt. Sie hat ihn aber jedes mal zum Auto gezerrt, hochgehoben und rein gesetzt. Das war für sie, wie auch für den Hund, extrem stressig. Soda ist nicht gerade klein und wiegt ca 30 kg.

Was mache ich jetzt anders? Im Idealfall haben wir richtig viel Zeit, also der Hund muß in den kommenden Wochen nirgendwo hin fahren. Bei Soda ist das zum Glück so. Also beginnen wir mit der Beziehung zwischen Soda und seiner Frau. Entspannungsübungen. Nicht reden, nicht anfassen, nicht beruhigen. Wir gehen mit Soda los, Richtung Auto und passen ganz genau auf, wann er die ersten Stressreaktionen zeigt. Und da machen wir halt, wir gehen keinen Schritt weiter. Wenn Soda sich entspannt, können wir weiter gehen. So schaffen wir es Stück für Stück bis zum Auto. Das wird so lange geübt, bis Soda entspannt bis zum Auto gehen kann.

Hier beginnen wir dann von vorne, mit offenen Autotüren. Er bekommt die Richtung gezeigt. Das aller wichtigste ist, daß er selbst die Entscheidung treffen kann und sich von alleine, freiwillig, in das Auto bewegen kann. Dann kann er lernen, dann kann er verstehen, daß er selbst ein- und auch wieder aussteigen kann und darf.

Ja, das braucht zu Beginn etwas Zeit und regelmäßiges Üben. Aber wir haben es heute, bei unserem zweiten Termin, nach einer Woche regelmäßigem Üben, geschafft, daß er alleine eingestiegen ist.

Soda ist ein Straßenhund aus Albanien, ca 5 Jahre alt und seit einem Jahr bei seiner Familie. Und er ist nach einer Woche Training heute einfach eingestiegen. Ohne Stress. Das Training braucht Zeit, aber wenn man überlegt, daß der Hund danach nie wieder mit viel Streß eingeladen werden muß, ist es das wert.

Und nach Aussage der Frau, hat sich ihr gesamtes Zusammenleben verbessert, Soda ist ruhiger und entspannter geworden und verbringt inzwischen viel mehr Zeit mit seinen Menschen. Weil er ganz nebenbei gelernt hat, daß seine Menschen ihm zuhören, seine Sprache verstehen und seine Grenzen respektieren. Trotzdem hat man ihn gebeten, sich zu überwinden und einzusteigen. Und er war wirklich verdammt stolz am Ende.

Diesel

Zum Abschluss noch eine Geschichte von Diesel, meinem ersten Hund. Diesel hat Autos gehasst.

Ihm wurde regelmäßig übel. Er begann schon zu würgen, wenn wir auf das Auto zugingen. Ich habe auch so ziemlich alles probiert. Nichts half. Boxen, abgedunkelte Fenster, völlig egal. Das ging so weit, daß er bei einem Spaziergang durch die Stadt die Straßenseite wechselte, wenn wir an dem gleichen Modell vorbei kamen.

Nun war ich aber sehr viel mit dem Auto unterwegs. Auch auf Reisen. Er musste jetzt also mit mir in dem Auto wohnen. Und das hat irgendwie den Schalter umgelegt. Wir fuhren, schliefen, aßen, lebten in dem Auto.

Und dann hat er das Auto geliebt (dieses eine, in anderen Autos wurde ihm immer noch übel). Wenn er Angst hatte, weil zum Beispiel ein Gewitter aufzog, wollte er in sein Auto. Er ist fremden Autos der gleichen Marke hinterher gerannt, weil er dachte, es sei unser Auto (ich vermute es war das Motorengeräusch).

Ja, und am Ende hat er sogar in seinem Auto für immer die Augen geschlossen.

 
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Verfasst von - 04/08/2022 in Coaching

 

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Rapunzel und die Angst, Teil 2

Am ersten Tag nach ihrer Ankunft begann Raiponce, wenn ich ihr Zimmer betrat, aus ihrem Versteck zu kommen und wegzulaufen. Sie bewohnt ein Zimmer und den angrenzenden Teil einer offenen Scheune.

Sie befand sich noch immer im flight/fight/freeze Modus. Also: Flucht, Angriff oder Einfrieren. Als sie ankam, war es das Einfrieren, sie kauerte sich in eine Ecke und bewegte sich nicht mehr. Jetzt kam der Flucht-Modus. Sie wollte weg, suchte den Ausgang.

Als sie im Februar in das Tierheim kam, beschrieb man sie als sehr freundlich und neugierig. Man war dort sicher, man könne sie in wenigen Tagen anfassen. Es tut mir leid, aber ich habe laut gelacht. Never ever! Und so kam es dann auch. Plötzlich hieß es dann, sie wäre nicht mehr ganz so aggressiv.

Sehr lustig. Vermutlich hat man versucht sie mal eben zu sozialisieren, so nebenbei, zwischen Füttern und Putzen.

Ich lasse sie in Ruhe. Ich bin überzeugt, sie würde sich verteidigen wenn ich ihr zu nahe käme. Ich weiß nicht wieso ich das a) riskieren soll und ich ihr b) diesen Stress antun soll?! Haben wir keine Zeit??

Was kommt nach freeze und flight? Das Zittern. In der zweiten Nacht hat sie gefressen. Wenn ich zu ihr gehe, läuft sie nicht mehr weg. Sie liegt in ihrer Ecke und schaut mich an. Dann schaut sie wieder weg und ihr ganzer Körper zittert. Das ist gut.

A) sie nimmt Kontakt zu mir auf, sie sieht mich direkt an, sie beginnt ihre Umwelt zu beobachten.
B) sie flieht nicht mehr.
C) ihr Körper verarbeitet die Angst (an einem für sie sicheren und ruhigen Ort) – sie zittert.

Was tut man als Mensch in dieser Situation?

Man lässt den Hund in Ruhe!!!

Bitte bitte bitte – nicht trösten oder beruhigen. Nicht nötigen etwas zu essen oder zu trinken. Nicht anfassen.

Ich habe hier Hunde, die haben Wochen unter dem Sofa verbracht. Das ist ok. Raiponce ist bei uns. Sie kann uns hören und riechen und wenn sie möchte auch sehen. Aber sie wird durch einen Sichtschutz geschützt. Das ist beruhigender für sie und auch für die anderen sieben die hier zur Zeit leben.

Unser Körper muß Angst verarbeiten können. Das braucht Zeit. Wenn wir unserem Körper diese Chance nehmen, indem wir eingreifen, womöglich das Tier (oder auch den Menschen) ruhig stellen, kann das Gehirn das erlebte nicht verarbeiten. Das Trauma bleibt dann in dem Gehirn stecken und kommt immer wieder. Die Dämonen. Die Panik. PTBS. Ja, das gibt es auch beim Tier. Überraschung. Säugetier: gleiches Gehirn, Nerven, System.

Das aller aller wichtigste ist, ihr zu vermitteln, sie ist jetzt sicher. Aber das muß sie in ihrem Tempo „erfahren“ und „begreifen“.

Ich sehe oft Bilder von den ankommenden Transportern aus Rumänien. Ja, die Menschen freuen sich endlich ihren Hund in die Arme nehmen zu können. Und dann sehe ich Bilder, da liegen Hunde, die nur die Straße und das Tierheim kennen, nach 48 Stunden Fahrt auf dem Rücken, auf der Straße und wildfremde Menschen beugen sich über sie und herzen und küssen sie und beruhigen sie. Und diese Bilder bekommen Herzchen. Und ich könnte nur noch kotzen. Sorry.

Lasst die Tiere doch bitte erst mal ankommen und euch kennen lernen.

Wenn sich ein Hund auf den Boden wirft und alle viere von sich streckt, dann steht er unter massivem Stress. Das ist Todesangst. Er unterwirft sich und zeigt seine verwundbarste Stelle. Ich verlange von niemandem, sich mit Angsthunden auszukennen. Aber so ein bisschen Körpersprache. So ein bisschen Hundesprache. Etwas Verständnis. Wenigstens die Beschwichtigungs- oder Streß-Signale.

Und im Zweifel, einfach mal überlegen: möchte ich, daß jemand mit mir so umgeht??

Die wilde Sieben

Und dann sind da ja noch die anderen. Die wilde Sieben. Zwei Border Collies und fünf weitere Rumänen aus Pascani. Was tun sie? Sie pinkeln ins Haus. Hui.
Naja, sie wissen, da ist ein Neuer in ihrem Revier. Also müssen sie ihr Revier verteidigen und abgrenzen und ein Statement setzten.

Warum ich das erwähne? Falls das hier jemand liest: ich möchte einfach darauf hin weisen, daß es zur Kommunikation unter Hunden gehört und nicht böse gemeint ist. Fertig.

 
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Verfasst von - 30/04/2022 in Coaching

 

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Rapunzel und die Angst, Teil 1

Raiponce 2021 in Pascani, Rumänien

Das hier ist Raiponce, zu deutsch: Rapunzel.

Raiponce hatte einen schwierigen Start. Sie wurde Anfang 2021 in Rumänien geboren, im Nord-Osten. Sie und ihre Mutter und Geschwister lebten auf der Straße bis sie eingefangen und in ein Tierheim in Pascani gebracht wurden. Im Mai wurde ihre Schwester Molly adoptiert und kam nach Frankreich. Und im Juni durfte Raiponce ihre Reise antreten!

Molly und Raiponce waren scheu, schüchtern, unsicher. Ihre Mutter war Menschen gegenüber aufgeschlossen und freundlich. Aber die Kleinen waren noch unsicher und die paar Wochen im Tierheim konnten da wenig ausrichten. Zumal sie überwiegend Kontakt mit den Tierärzten hatten.

Molly hatte Glück. Sie kam in eine Familie die sie verstand und ihr half. Sie führt heute ein super Leben im Süden Frankreichs. Raiponce hatte weniger Glück. Die Familie die sie adoptiert hatte, hatte weder Verständnis noch Erfahrung noch den Willen ihr zu helfen. Bei Ankunft wurden ihr Halsband und Geschirr angelegt und sie wurde nach Hause gebracht. Ein Appartement im dritten Stock.

Abschiebung bei Ankunft

Raiponce kannte die Straße und das Tierheim. Keine 5 Zimmer-Wohnung. Sie hatte panische Angst und versuchte zu flüchten. Die Familie war völlig überfordert und reagierte über. Der Verein hatte 24 Stunden Zeit den Hund wieder abzuholen. Nun hat der Verein in Frankreich kein Tierheim und ist auf Pflegefamilien angewiesen. Ich bin eine davon. Spezialisiert auf Angsthunde. Also wurde ich gefragt, ob ich Raiponce nehmen könne. Es wurde eine Fahrgemeinschaft gebildet, die sie zu mir bringen sollte. Bis dahin sollte sie für zwei Nächte bei einer anderen erfahrenen Dame unterkommen.

Zu erst konnte Raiponce sich bei der Dame in den Garten flüchten. Man ließ sie dort bis zu dem Tag an dem sie zu mir kommen sollte. bei dem Versuch sie einzufangen konnte sie nun ganz entwischen und lief weg.

Raiponce kennt keine Menschen, sie hat kein Vertrauen, sie ist alleine, jung und voller Angst. In einem fremden Land. Das mag jetzt komisch klingen, aber das ist ein wichtiges Detail. Denke mal an deinen letzten Urlaub in Italien oder Griechenland, Rumänien oder Frankreich. Das Licht, der Duft, die Geräusche. All das ist anders als zu Hause. Sonst würden wir ja nicht weg fahren 😉

Und sie war 2.500 km quer durch Europa gereist. Von Nord-Rumänien nach Süd-Frankreich.

Raiponce wurde gesucht. Irgendwann habe ich aufgehört ihre Geschichte zu verfolgen.

Raiponce lebt

Bis Februar 2022. Plötzlich bekam ich von Carol, die Familie die Molly adoptiert hatte, eine Petition. Es wurden Unterschriften gesammelt. Raiponce lebte. 8 Monate hatte sie in den Weinbergen überlebt. Den Winter und die Jagd. Gut, der Winter hier ist jetzt für einen rumänischen Straßenhund keine wirkliche Challenge. Aber die Jäger. Und sie hatte ein Geschirr und Halsband um bekommen, im Alter von 6 Monaten. Und nun waren 8 Monate vergangen. Es gab Zeitungsartikel über sie. Tierschützer hatten sie nicht aufgegeben, sie gefüttert und immer wieder erfolglos versucht sie einzufangen.

Nun ist es in Frankreich so, daß man für einen professionellen Tierfänger die Genehmigung des Bürgermeisters braucht. Den interessierte der Hund aber nicht. Und so kam es zu der Unterschriftensammlung. Der Druck reichte aus und Raiponce konnte mittels Betäubung gefangen werden.

Sie kam in das örtliche Tierheim und wurde dort erstversorgt. Bei mir staute es sich etwas und so konnte sie erst jetzt, Ende April 2022, zu mir kommen.

Für den Transport, den eine professionelle Kleintier-Transport – Firma übernahm, musste sie sediert werden. Es war unmöglich sie in den Käfig für den Transport zu bekommen. In den zwei Monaten im Tierheim schaffte es keiner sie anzufassen.

Als sie bei mir ankam, war sie ein halb betäubtes Häufchen Elend. Sie versteckte sich sofort in einer Ecke. Dort harrte sie die kommenden Tage und Nächte aus. Immerhin, in der zweiten Nacht begann sie zu fressen.

 
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Verfasst von - 30/04/2022 in Coaching

 

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Was tun, wenn der Hund in Panik gerät?

Ruhe bewahren!

Klingt jetzt ein bisschen überheblich, ich weiß. Aber ich hab da Erfahrung… und ein paar Geschichten möchte ich heute mit euch teilen.

Tim.

Tim ist drei mal in der Innenstadt abgehauen, öfters mal am Rande der Stadt, von einem Balkon im 1. Stock gesprungen, aus einem Fenster im 1. Stock, etliche male bei Spaziergängen geflüchtet und in den Pyrenäen im Winter bei Eis und Schnee in einen Gebirgsbach gesprungen. Und das nicht, weil er Hasen jagen wollte, sondern weil er in Panik ausbrach. Das Blöde dabei ist, daß der Hund in einer solchen Situation nicht mehr ansprechbar ist. Das sich der Trigger, der den Hund in Panik versetzt, meist nicht abstellen lässt, macht die Situation nicht einfacher.

Was also tun in einer solchen Situation? Ich schreibe aus meiner Erfahrung. Andere Menschen werden vermutlich andere Erfahrungen gemacht haben.

Sicherheit

Zu aller erst sollte man einen solchen Hund gut sichern. Es gibt inzwischen Geschirre, die speziell für Angsthunde sind und mit drei Gurten bis unter den Unterbauch gehen, sogenannte Panikgeschirre. Dazu sichert man seinen Hund gut ab, indem man ein Geschirr mit Leine und ein Halsband mit Leine hat. Doppelt hält besser. Wenn die anderen im Park blöd gucken – ignorieren. Es geht um die Sicherheit deines Hundes und im schlimmsten Fall um Leben und Tod. Einen Hund der einen Autounfall verursacht will auch keiner. Dazu sollte der Hund eine Marke haben, die er nicht verlieren kann. Im Zweifel also ein zweites Halsband, an dem keine Leine ist oder die Tätowierung im Ohr. Ich habe schon alles erlebt. Hunde die sich aus Sicherheitsgeschirren wie auch aus Halsbändern winden – und am Ende steht man da mit Leine und Geschirr und Marke in der Hand und der Hund ist weg.

Nun hat der Hund sich befreit und läuft weg.

Manchmal hilft es, nicht hinterher zu laufen. Versuche die Aufmerksamkeit deines Hundes zu bekommen und bewege dich in eine andere Richtung. Bei Tim hat das des öfteren gut funktioniert. Zum Beispiel am Rhein: er bekommt Angst vor einem Geräusch und läuft weg, ich laufe in eine ganz andere Richtung, weg vom Geräusch, aber auch weg von ihm – das gefällt ihm nicht und er beginnt mir zu folgen, weil er nicht alleine fliehen will. Glück gehabt. Ich durfte ihn aber auch schon im Tierheim abholen weil die Polizei ihn irgendwo wieder gefunden hat.

Tim hat extreme Angst vor knallenden Geräuschen. Das kann der Golfplatz sein (am Rhein in Düsseldorf), klatschende Paddel von Kanus auf dem Fluß, Ball-spielende Kinder, Gewehrschüsse – völlig egal. Kinder machen ihm sehr viel Angst. Meist läuft er weg und versteckt sich irgendwo. Wenn man ihm ruhig folgt, hat man gute Chancen ihn wieder einzusammeln.

Darf ich meinen Hund auf den Arm nehmen?

Es kommt aber auch vor, daß er sich auf den Boden schmeißt und alle vier Pfoten in die Luft streckt und sich nicht mehr bewegt. Das ist nicht lustig. Er spielt dann wirklich toten Hund und ist nicht mehr in der Lage weiter zu gehen. Er kann sich auch wie ein Igel einrollen. Nun gibt es einige Trainer, die mir erklärt haben, ich müsse dann einfach an der Leine ziehen und rucken und weiter gehen. Im Ernst, ich ziehe dann 15 kg toten Hund hinter mir her. Das soll die Lösung sein?? Ja, der Hund steht ja dann auf und kommt mit. Nein, tut er nicht!! Und als Hunde-Physiotherpeutin habe ich damit ein Problem, einen 15 kg Hund an einem Halsband hinter mit her zu ziehen. Also, was tun? Es kann tatsächlich helfen ihn zu tragen. Nein!!! schreien da die Hundetrainer, das macht alles nur noch schlimmer!! Nein, sage ich, macht es nicht. Weiß ich aus Erfahrung. Es hilft gar nicht, Tim hinter sich her zu ziehen. Aber wenn ich ihn hoch hebe und nur fünf Meter aus der Situation heraus trage, kann ich ihn wieder absetzten und er kann normal weiter laufen. Wo zur Hölle ist das Problem wenn es dem Hund hilft???

Tim hat auch schon in Cafe´s die Tische abgeräumt. Weil er Panik bekam und weg wollte und da stand dann halt ein Tisch und alle Gläser flogen durch die Gegend. Das hat ihn dann meist noch mehr erschreckt und er verkrümelte sich unter irgendeinem Stuhl.

Nach acht Jahren ist er inzwischen recht stabil. Von Anbeginn war er so klug, bei Spaziergängen zurück zum Auto zu flüchten und sich unter dem Auto zu verstecken bis wir zurück kamen. Also, ich kann mich da auf ihn verlassen. Auch wird er nicht aggressiv und fängt an zu beissen, daß ist ein großer Vorteil. Aber er kann sich winden wie eine Katze.

Darf ich meinen Hund beruhigen?

Ja. Es kommt ganz darauf an, mit welcher Energie wir auf die Panik unseres Hundes reagieren. Wenn wir voller Mitgefühl mitleiden, dann werden wir unseren Hund in seiner Angst bestätigen. Wenn wir aber ruhig bei ihm sind, ihm eine Hand reichen, eine Hand auf seinen Rücken legen, mit ihm ruhig und klar sprechen, dann signalisieren wir, daß alles in Ordnung ist. Wir haben die Situation im Griff, wir helfen unserem Hund da durch. Wir lassen ihn nicht alleine!!! Hunde sind sehr soziale Wesen und wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir auf die Not unseres Hundes eingehen. So wie wir auf die Angst eines vier jährigen Kindes eingehen würden. Das würden wir auch nicht ignorieren. Hoffe ich.

Wenn das Gehirn in Panik gerät

Es ist wie beim Hund wie bei uns Menschen, wenn das Gehirn in Panik verfällt, ist klares Denken nicht mehr Möglich. Es gibt nur noch Flucht oder Kampf oder Einfrieren. Das wird aber nicht mehr vom Verstand gesteuert, der noch ansprechbar währe. Also sollte es nicht verwundern, wenn ein Hund in dieser Situation nicht mehr in der Lage ist, eine Leckerchen zur Ablenkung an zu nehmen.

Was tun? Die Lernzonen beachten und den Druck langsam aufbauen. Also zu erst schauen, bis wohin mein Hund in der Lage ist, mit einer Situation klar zu kommen. Und dann wird dort Vertrauen aufgebaut. Von dort geht man Schritt für Schritt weiter in die Angst- und Lernzone. Angst ist zu einem gewissen Grad in Ordnung. Sie will uns schützen, aber wir sind noch in der Lage zu lernen, gute Erfahrungen zu machen. Wenn wir aber zu weit gehen, kippt das ganze und Panik bricht aus. Dann ist es vorbei mit dem Lernen.

Auf jeden Fall ist Angst nicht gleich Angst und es ist nie hilfreich, selber in Panik zu verfallen. Es ist auch nicht jeder Hund gleich. Wer also mit einem Angsthund zusammen lebt, sollte sich professionelle Hilfe holen. Es ist gut Möglich, daß man da etwas suchen muß. Denn wie schon beschrieben, nicht jeder Trainer ist dafür geeignet. Gewalt ist bei Angst nie die Lösung.

Außerdem kann man so eine Therapie sehr gut unterstützen mit Bachblüten, Akupunktur oder Osteopathie.

 
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Verfasst von - 27/04/2022 in Coaching

 

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Wie ich zu den Angst-Hunden kam

Es gibt hier bereits Beiträge über Diesel, meinen ersten Hund – und Tim und Mirza.

Der Beitrag über Diesel ist vom Januar 2020. Im März 2020 hat er uns verlassen.

Tim – Mirza – Calisto, April 2022

Damals war mir das Thema Angst-Hund noch gar nicht so bewusst. Daher werde ich hier noch mal kurz darauf eingehen. Denn ich habe in den letzten Jahren sehr viel dazu lernen dürfen.

Diesel war im Grunde der Erste. Er fand Menschen doof, er fand andere Hunde doof. Und er gehörte nicht zu denen, die sich versteckten. Mit ihm ging ich in eine klassische Hundeschule. Dort habe ich das Übliche gelernt: Leinenruck, Aussperren, Ignorieren, Loben, nicht im Weg liegen lassen, nicht aufs Sofa.

Meine Mutter – die von Hunden wirklich keinen Schimmer hatte, aber von Pädagogik – war die Erste, die mich damals fragte, ob ich noch ganz richtig im Kopf sei. Und wie ich ein Lebewesen, daß mich liebt und mir vertraut, so behandeln könne?! Ich wollte alles richtig machen. Und ich sollte mich von den Kulleraugen ja auch nicht beeinflussen lassen. Heute frage ich mich, warum eigentlich nicht? Wovor haben wir denn solche Angst? Das Hunde die Weltherrschaft übernehmen? Das wir die Kontrolle verlieren??

Dann kam Tim. 2014. Er hatte drei Jahre in einem Käfig auf einem Bauernhof überlebt und ein Jahr im Tierheim. Er lief nicht. Die Tierheim – Mitarbeiter trugen ihn ins Büro und legten ihn mir vor die Füsse (Bild links).

Ich habe ihn bei uns erst einmal in Ruhe gelassen und mir dann einen renommierten Trainer gesucht. Tim kam sehr gut mit Diesel zurecht und lernet viel von ihm. Im Training sollte Diesel nicht dabei sein. Ich hab das nicht verstanden, weil Diesel ihm viel besser helfen konnte als ein Mensch. Aber das waren die neusten Trainingsmethoden. Und das war es: es waren Methoden, Techniken. Ich habe am Ende 450,-€ in den Sand gesetzt weil ich ein 10er Abo hatte, aber nach dem zweiten mal nicht mehr hin gegangen bin. Die Trainerin hat mich dafür nachhaltig gehasst.

Aber es ergab für mich keinen Sinn. Tim sollte auf Anreize reagieren. Und so seine Scheu verlieren. Das konnte er gar nicht. Er hatte von der ganzen Welt da draussen gar keine Ahnung und war völlig überfordert. Sein Gehirn war gar nicht in der Lage, all das zu verarbeiten. Er war im Panik-Modus.

Nach einem halben Jahr nahm ich Tim und Diesel und wir gingen für eine Woche in den Pyrenäen wandern, mit Zelt und Rucksack. Nur wir drei. Das hat wahre Wunder bewirkt. In unserer Beziehung. Und für Tim. So langsam wurde lernen für ihn möglich.

Ich habe dann beschlossen eine Ausbildung zur Hundeverhaltens-Trainerin zu machen. Das war auch wieder eine Challenge für sich. Weil ich dort erstmal genau den Mist lernte, den ich eigentlich gar nicht anwenden wollte. Wir mussten mit Ketten-Zug-Halsbändern arbeiten. Am Unterarm wurde uns demonstriert, das diese Halsbänder gar nicht weh tun würden.

Wenn Tim Angst bekam, habe ich ihm eine Hand gegeben. Das wurde unterbunden. Angst muß ignoriert werden.

Größter BULLSHIT ever!!!! Ein soziales Wesen verspürt Angst. Ja, ich kann es schlimmer machen, in dem ich mich in die gleiche Energie begebe und mitleide. Ich kann es aber auch besser machen, in dem ich dem Tier signalisiere: es ist alles ok, ich bin bei dir, ich führe dich hier durch. Ignorieren ist etwas anderes, es bedeutet: ich lass dich alleine.

Wenn Hunde wie kleine Kinder sind – und laut Wissenschaft sind sie das – wer würde sein Kind mit Angst alleine im Dunkeln sitzen lassen, die Tür schließen und ihm sagen: wird schon. Jean Jacque Rousseau. Ja, der vielleicht. Aber das war im 18. Jahrhundert. Heute tut das sicher auch noch der ein oder andere. Aber das Jugendamt und die moderne Pädagogik hätten etwas dagegen. Und zwar zurecht.

Das Problem ist, daß wir Tiere immer noch nicht als selbständig denkende und fühlende Wesen ansehen. „Vermenschlichen“ ist tabu! Wir bewegen uns mit all unseren Methoden und Techniken auf dem Stand von René Descartes im 17. Jahrhundert. Der hat Hunde lebend an Holztüren genagelt und aufgeschlitzt um zu beweisen, daß alles nur Reflex und Instinkt ist. Und so trainieren wir unsere Hunde. Nicht auf Augenhöhe, sondern als würden sie nur auf Reize reagieren. Pawlows Glocke. Klingt ein bisschen wie Schillers Glocke, ist aber nicht ganz so schillernd. Seine Erkenntnisse sind weniger grausam als die von Descartes und Rousseau, aber wir reduzieren unsere Haustiere dadurch gerne auf das Minimum von Aktion und Reaktion. Wir halten sie schlicht für blöd und wir halten sie blöd.

Aber wie gehe ich nun mit einem Hund um, der Angst hat. Wirklich Angst, vielleicht ein Traumata. Wir sind in der Trauma Forschung beim Menschen noch nicht sonderlich weit. Was wissen wir da schon über Tiere?! Erschreckend viel, weil sie uns sehr ähnlich sind. Aber das ist unbequem.

Tiere werden einfach ausgetauscht, wenn sie nicht mehr funktionieren. Ein traumatisierter Hund befindet sich in dem Zustand eines traumatisierten vierjährigen Kindes. Ich frage mich, ob man mit einem Kind so umgeht, wie mit einem Hund?!

Es gibt diese alte Methode, von der sich auch die menschliche Therapie langsam abwendet, daß man einen Patienten in sein Trauma zurück schickt und es ihn noch mal durchleben lässt, damit er versteht, daß ihm nichts passiert. Also jemand der Angst vor Wasser hat, wird ins Wasser geschickt, um dort dann fest zu stellen, daß ihm nichts geschieht. Das Problem dabei: das Gehirn verfällt ihn den Panik-Modus und lernt gar nichts mehr. Wieso soll das bei einem Tier funktionieren? Ein Säugetier ist im Bereich Nerven und Gehirn genau so aufgebaut wie der Mensch. Dieses Wissen verdanken wir übrigens den netten Versuchen von Descartes. Dank ihm wissen wir, daß Hund und Mensch den gleichen Aufbau haben. Wieso soll der Hund also anders funktionieren??

Heute arbeite ich fast ausschließlich mit Angsthunden. Ja, das dauert manchmal ein bisschen. Und kann etwas mühsam sein. Es sind Straßenhunde und Haushunde mit ganz unterschiedlichen Geschichten. Aber es lohnt sich, jeder einzige. Ich darf von jedem etwas lernen. Über mich und über Hunde und Menschen.

Ich werde in den kommenden Tagen auf weitere Erkenntnisse und Methoden zu dem Thema Angst bei Tieren eingehen.

@reija_feldmann

 
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Verfasst von - 25/04/2022 in Coaching

 

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