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Rapunzel und die Angst, Teil 1

Raiponce 2021 in Pascani, Rumänien

Das hier ist Raiponce, zu deutsch: Rapunzel.

Raiponce hatte einen schwierigen Start. Sie wurde Anfang 2021 in Rumänien geboren, im Nord-Osten. Sie und ihre Mutter und Geschwister lebten auf der Straße bis sie eingefangen und in ein Tierheim in Pascani gebracht wurden. Im Mai wurde ihre Schwester Molly adoptiert und kam nach Frankreich. Und im Juni durfte Raiponce ihre Reise antreten!

Molly und Raiponce waren scheu, schüchtern, unsicher. Ihre Mutter war Menschen gegenüber aufgeschlossen und freundlich. Aber die Kleinen waren noch unsicher und die paar Wochen im Tierheim konnten da wenig ausrichten. Zumal sie überwiegend Kontakt mit den Tierärzten hatten.

Molly hatte Glück. Sie kam in eine Familie die sie verstand und ihr half. Sie führt heute ein super Leben im Süden Frankreichs. Raiponce hatte weniger Glück. Die Familie die sie adoptiert hatte, hatte weder Verständnis noch Erfahrung noch den Willen ihr zu helfen. Bei Ankunft wurden ihr Halsband und Geschirr angelegt und sie wurde nach Hause gebracht. Ein Appartement im dritten Stock.

Abschiebung bei Ankunft

Raiponce kannte die Straße und das Tierheim. Keine 5 Zimmer-Wohnung. Sie hatte panische Angst und versuchte zu flüchten. Die Familie war völlig überfordert und reagierte über. Der Verein hatte 24 Stunden Zeit den Hund wieder abzuholen. Nun hat der Verein in Frankreich kein Tierheim und ist auf Pflegefamilien angewiesen. Ich bin eine davon. Spezialisiert auf Angsthunde. Also wurde ich gefragt, ob ich Raiponce nehmen könne. Es wurde eine Fahrgemeinschaft gebildet, die sie zu mir bringen sollte. Bis dahin sollte sie für zwei Nächte bei einer anderen erfahrenen Dame unterkommen.

Zu erst konnte Raiponce sich bei der Dame in den Garten flüchten. Man ließ sie dort bis zu dem Tag an dem sie zu mir kommen sollte. bei dem Versuch sie einzufangen konnte sie nun ganz entwischen und lief weg.

Raiponce kennt keine Menschen, sie hat kein Vertrauen, sie ist alleine, jung und voller Angst. In einem fremden Land. Das mag jetzt komisch klingen, aber das ist ein wichtiges Detail. Denke mal an deinen letzten Urlaub in Italien oder Griechenland, Rumänien oder Frankreich. Das Licht, der Duft, die Geräusche. All das ist anders als zu Hause. Sonst würden wir ja nicht weg fahren 😉

Und sie war 2.500 km quer durch Europa gereist. Von Nord-Rumänien nach Süd-Frankreich.

Raiponce wurde gesucht. Irgendwann habe ich aufgehört ihre Geschichte zu verfolgen.

Raiponce lebt

Bis Februar 2022. Plötzlich bekam ich von Carol, die Familie die Molly adoptiert hatte, eine Petition. Es wurden Unterschriften gesammelt. Raiponce lebte. 8 Monate hatte sie in den Weinbergen überlebt. Den Winter und die Jagd. Gut, der Winter hier ist jetzt für einen rumänischen Straßenhund keine wirkliche Challenge. Aber die Jäger. Und sie hatte ein Geschirr und Halsband um bekommen, im Alter von 6 Monaten. Und nun waren 8 Monate vergangen. Es gab Zeitungsartikel über sie. Tierschützer hatten sie nicht aufgegeben, sie gefüttert und immer wieder erfolglos versucht sie einzufangen.

Nun ist es in Frankreich so, daß man für einen professionellen Tierfänger die Genehmigung des Bürgermeisters braucht. Den interessierte der Hund aber nicht. Und so kam es zu der Unterschriftensammlung. Der Druck reichte aus und Raiponce konnte mittels Betäubung gefangen werden.

Sie kam in das örtliche Tierheim und wurde dort erstversorgt. Bei mir staute es sich etwas und so konnte sie erst jetzt, Ende April 2022, zu mir kommen.

Für den Transport, den eine professionelle Kleintier-Transport – Firma übernahm, musste sie sediert werden. Es war unmöglich sie in den Käfig für den Transport zu bekommen. In den zwei Monaten im Tierheim schaffte es keiner sie anzufassen.

Als sie bei mir ankam, war sie ein halb betäubtes Häufchen Elend. Sie versteckte sich sofort in einer Ecke. Dort harrte sie die kommenden Tage und Nächte aus. Immerhin, in der zweiten Nacht begann sie zu fressen.

 
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Verfasst von - 30/04/2022 in Coaching

 

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Was tun, wenn der Hund in Panik gerät?

Ruhe bewahren!

Klingt jetzt ein bisschen überheblich, ich weiß. Aber ich hab da Erfahrung… und ein paar Geschichten möchte ich heute mit euch teilen.

Tim.

Tim ist drei mal in der Innenstadt abgehauen, öfters mal am Rande der Stadt, von einem Balkon im 1. Stock gesprungen, aus einem Fenster im 1. Stock, etliche male bei Spaziergängen geflüchtet und in den Pyrenäen im Winter bei Eis und Schnee in einen Gebirgsbach gesprungen. Und das nicht, weil er Hasen jagen wollte, sondern weil er in Panik ausbrach. Das Blöde dabei ist, daß der Hund in einer solchen Situation nicht mehr ansprechbar ist. Das sich der Trigger, der den Hund in Panik versetzt, meist nicht abstellen lässt, macht die Situation nicht einfacher.

Was also tun in einer solchen Situation? Ich schreibe aus meiner Erfahrung. Andere Menschen werden vermutlich andere Erfahrungen gemacht haben.

Sicherheit

Zu aller erst sollte man einen solchen Hund gut sichern. Es gibt inzwischen Geschirre, die speziell für Angsthunde sind und mit drei Gurten bis unter den Unterbauch gehen, sogenannte Panikgeschirre. Dazu sichert man seinen Hund gut ab, indem man ein Geschirr mit Leine und ein Halsband mit Leine hat. Doppelt hält besser. Wenn die anderen im Park blöd gucken – ignorieren. Es geht um die Sicherheit deines Hundes und im schlimmsten Fall um Leben und Tod. Einen Hund der einen Autounfall verursacht will auch keiner. Dazu sollte der Hund eine Marke haben, die er nicht verlieren kann. Im Zweifel also ein zweites Halsband, an dem keine Leine ist oder die Tätowierung im Ohr. Ich habe schon alles erlebt. Hunde die sich aus Sicherheitsgeschirren wie auch aus Halsbändern winden – und am Ende steht man da mit Leine und Geschirr und Marke in der Hand und der Hund ist weg.

Nun hat der Hund sich befreit und läuft weg.

Manchmal hilft es, nicht hinterher zu laufen. Versuche die Aufmerksamkeit deines Hundes zu bekommen und bewege dich in eine andere Richtung. Bei Tim hat das des öfteren gut funktioniert. Zum Beispiel am Rhein: er bekommt Angst vor einem Geräusch und läuft weg, ich laufe in eine ganz andere Richtung, weg vom Geräusch, aber auch weg von ihm – das gefällt ihm nicht und er beginnt mir zu folgen, weil er nicht alleine fliehen will. Glück gehabt. Ich durfte ihn aber auch schon im Tierheim abholen weil die Polizei ihn irgendwo wieder gefunden hat.

Tim hat extreme Angst vor knallenden Geräuschen. Das kann der Golfplatz sein (am Rhein in Düsseldorf), klatschende Paddel von Kanus auf dem Fluß, Ball-spielende Kinder, Gewehrschüsse – völlig egal. Kinder machen ihm sehr viel Angst. Meist läuft er weg und versteckt sich irgendwo. Wenn man ihm ruhig folgt, hat man gute Chancen ihn wieder einzusammeln.

Darf ich meinen Hund auf den Arm nehmen?

Es kommt aber auch vor, daß er sich auf den Boden schmeißt und alle vier Pfoten in die Luft streckt und sich nicht mehr bewegt. Das ist nicht lustig. Er spielt dann wirklich toten Hund und ist nicht mehr in der Lage weiter zu gehen. Er kann sich auch wie ein Igel einrollen. Nun gibt es einige Trainer, die mir erklärt haben, ich müsse dann einfach an der Leine ziehen und rucken und weiter gehen. Im Ernst, ich ziehe dann 15 kg toten Hund hinter mir her. Das soll die Lösung sein?? Ja, der Hund steht ja dann auf und kommt mit. Nein, tut er nicht!! Und als Hunde-Physiotherpeutin habe ich damit ein Problem, einen 15 kg Hund an einem Halsband hinter mit her zu ziehen. Also, was tun? Es kann tatsächlich helfen ihn zu tragen. Nein!!! schreien da die Hundetrainer, das macht alles nur noch schlimmer!! Nein, sage ich, macht es nicht. Weiß ich aus Erfahrung. Es hilft gar nicht, Tim hinter sich her zu ziehen. Aber wenn ich ihn hoch hebe und nur fünf Meter aus der Situation heraus trage, kann ich ihn wieder absetzten und er kann normal weiter laufen. Wo zur Hölle ist das Problem wenn es dem Hund hilft???

Tim hat auch schon in Cafe´s die Tische abgeräumt. Weil er Panik bekam und weg wollte und da stand dann halt ein Tisch und alle Gläser flogen durch die Gegend. Das hat ihn dann meist noch mehr erschreckt und er verkrümelte sich unter irgendeinem Stuhl.

Nach acht Jahren ist er inzwischen recht stabil. Von Anbeginn war er so klug, bei Spaziergängen zurück zum Auto zu flüchten und sich unter dem Auto zu verstecken bis wir zurück kamen. Also, ich kann mich da auf ihn verlassen. Auch wird er nicht aggressiv und fängt an zu beissen, daß ist ein großer Vorteil. Aber er kann sich winden wie eine Katze.

Darf ich meinen Hund beruhigen?

Ja. Es kommt ganz darauf an, mit welcher Energie wir auf die Panik unseres Hundes reagieren. Wenn wir voller Mitgefühl mitleiden, dann werden wir unseren Hund in seiner Angst bestätigen. Wenn wir aber ruhig bei ihm sind, ihm eine Hand reichen, eine Hand auf seinen Rücken legen, mit ihm ruhig und klar sprechen, dann signalisieren wir, daß alles in Ordnung ist. Wir haben die Situation im Griff, wir helfen unserem Hund da durch. Wir lassen ihn nicht alleine!!! Hunde sind sehr soziale Wesen und wir brechen uns keinen Zacken aus der Krone, wenn wir auf die Not unseres Hundes eingehen. So wie wir auf die Angst eines vier jährigen Kindes eingehen würden. Das würden wir auch nicht ignorieren. Hoffe ich.

Wenn das Gehirn in Panik gerät

Es ist wie beim Hund wie bei uns Menschen, wenn das Gehirn in Panik verfällt, ist klares Denken nicht mehr Möglich. Es gibt nur noch Flucht oder Kampf oder Einfrieren. Das wird aber nicht mehr vom Verstand gesteuert, der noch ansprechbar währe. Also sollte es nicht verwundern, wenn ein Hund in dieser Situation nicht mehr in der Lage ist, eine Leckerchen zur Ablenkung an zu nehmen.

Was tun? Die Lernzonen beachten und den Druck langsam aufbauen. Also zu erst schauen, bis wohin mein Hund in der Lage ist, mit einer Situation klar zu kommen. Und dann wird dort Vertrauen aufgebaut. Von dort geht man Schritt für Schritt weiter in die Angst- und Lernzone. Angst ist zu einem gewissen Grad in Ordnung. Sie will uns schützen, aber wir sind noch in der Lage zu lernen, gute Erfahrungen zu machen. Wenn wir aber zu weit gehen, kippt das ganze und Panik bricht aus. Dann ist es vorbei mit dem Lernen.

Auf jeden Fall ist Angst nicht gleich Angst und es ist nie hilfreich, selber in Panik zu verfallen. Es ist auch nicht jeder Hund gleich. Wer also mit einem Angsthund zusammen lebt, sollte sich professionelle Hilfe holen. Es ist gut Möglich, daß man da etwas suchen muß. Denn wie schon beschrieben, nicht jeder Trainer ist dafür geeignet. Gewalt ist bei Angst nie die Lösung.

Außerdem kann man so eine Therapie sehr gut unterstützen mit Bachblüten, Akupunktur oder Osteopathie.

 
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Verfasst von - 27/04/2022 in Coaching

 

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Der erwachsene Hund

Das Thema heute hat nur indirekt mit der Angst an sich zu tun. Aber es ist ein Thema, was irgendwie kaum Beachtung findet. So zumindest meine Erfahrung. Ich finde es aber extrem wichtig, zumal immer mehr Hunde aus dem Auslandstierschutz vermittelt werden.

Ein sehr berühmter deutscher Hundetrainer hat einmal gesagt: wir wollen, daß unsere Kinder selbständig werden. Bei Hunden wollen wir das nicht.

Und tatsächlich ist es so, daß unsere domestizierten Haushunde sich ein Leben lang überwiegend auf dem Niveau von vier jährigen Kindern befinden. Das hat Vorteile, wir haben sie – also die Hunde – so besser im Griff.

Kürzlich bin ich über einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung über Dingos gestolpert. Dort heißt es im letzten Satz: „Seine Dingos seien so zahm und liebevoll wie andere Hunde, sagt Barry Eggleton über Sandy, Eggie und Didi. Doch im Umgang seien Hunde eben wie Kinder, Dingos aber wie Erwachsene: „Sie brauchen uns nicht, um zu überleben.““

Und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wölfe werden erwachsen, Wildhunde wie Dingos – und eben auch verwilderte Straßenhunde. Das ist nur logisch. Ein Haushund bekommt Nachwuchs. Die Mutter ist an Menschen gewohnt und muß sich nicht um Futter oder Sicherheit kümmern. Der Nachwuchs wird mit den Menschen groß.

Wir wissen, daß verwilderte Haustiere sich nicht mehr wie domestizierte Haustiere zähmen und halten lassen.

In der Wildnis, ob Stadt oder Land, muß eine Mutter für ihren Nachwuchs kämpfen. Sie muß das Revier verteidigen, Futter suchen und Schutz gewähren. Vielleicht wird sie von Menschen angegriffen. Nicht alle Welpen überleben. Sie werden krank, verhungern, werden von Fress-Feinden oder Menschen getötet. Diese Welpen nehmen diese Gefahr mit der Muttermilch auf. So wie ein Welpe in einem menschlichen Haushalt die Sicherheit und Geborgenheit aufnimmt.

Nun kommt es immer wieder vor, daß Straßenhunde in der Vermittlung landen, die schon sehr lange auf der Straße leben oder die bereits in der zweiten oder dritten Generation dort aufgewachsen sind. Diese Hunde sind nur sehr schwer zu vermitteln und zu sozialisieren. Dazu kommen dann noch Rasse-typische Merkmale hinzu. Ein Hund mit viel Herdenschutz-Genen wird noch schwieriger sein, als ein ehemaliger Gesellschaftshund.

Wichtig ist zu wissen, daß diese (teils) verwilderten Hunde erwachsen werden. Sie bleiben nicht ein Leben lang im Kinder-Modus wie ein domestizierter Haushund. Dadurch entwickeln sich ganz andere Probleme. Ein Kind das Angst vor Dunkelheit hat, ist etwas anderes, als ein Erwachsener mit Angst vor Mobbing.

Erwachsene Hunde brauchen uns nicht, sie haben mit der Muttermilch Strategien aufgenommen um zu überleben. Und die meisten trauen uns auch nicht. Wenn man nun aber einen Welpen aus dem Tierschutz aufnimmt, den man von der Straße gerettet hat, weiß oft niemand, die wievielte Generation da bereits auf der Straße gelebt hat. Und mit welchen Problemen man konfrontiert wird. Viele dieser „schwer vermittelbaren“ Hunde fristen ein elendes Leben in Tierheimen wo sie dann ihrer Freiheit beraubt irgendwann eingehen.

Angst ist nicht gleich Angst und Hund ist nicht gleich Hund. Ein verwilderter Haushund hat ganz andere Prioritäten als ein domestizierter Haushund. Und entsprechend auch andere Ängste.

@reija_feldmann

 
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Verfasst von - 26/04/2022 in Coaching

 

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