
Man könnte auch sagen: ich habe Lehrgeld bezahlt.
Natürlich habe ich für meine Ausbildung bezahlt. Aber meine wirkliche Expertise, die habe ich aus den Erfahrungen, die ich nach der Ausbildung gemacht habe. Und da hatte die Wirklichkeit mit der Ausbildung nicht mehr viel gemein.
Aber fangen wir vorne an.
Lehrer Nummer eins:
Mein erster und wichtigster Lehrer war Diesel, mein erster Hund, gefunden auf einer Landstraße in Rumänien. Ich würde so gerne die Uhren zurück drehen und mit ihm noch mal von vorne anfangen, mit dem Wissen, was sich heute habe. Am Ende musste er einen viel zu hohen Preis bezahlen.
Meine Familie und ich hatten Null Ahnung von Hunden. Also ging ich zu einer Hundetrainerin. Positive Bestärkung. Mit Leinenruck und ignorieren, aussperren, hungern lassen. Mir erschien das etwas brutal, aber zu Beginn hab ich mit gemacht, wollte ja nichts falsch machen. Und hab – aus heutiger Sicht – doch alles falsch gemacht.
Nun muß man dazu sagen, daß sich in den letzten Jahren die ganze Hunde-Trainer-Welt auch enorm gewandelt hat. Die Hardliner gibt es noch immer, auch nicht zu knapp. Die wird es auch immer geben. Aber es gibt inzwischen auch viel mehr von den anderen, die die verstanden haben, daß Tiere ausgesprochen intelligente und feinfühlige Wesen sind.
Diesel hatte sehr viel Angst, er war extrem unsicher. Und das Training half ihm gar nicht. Er machte zwar mit, war aber allgemein im Umgang eher bissig. Er mochte keine Artgenossen und keine Menschen. Ich habe es mit mehreren Trainern, Therapeuten und was sonst noch so da war versucht, aber er galt allgemein als aus-therapiert.
Heute weiß ich, wieviel ich zu seiner Situation beigetragen habe. Heute weiß ich auch, wie ich ihm hätte helfen können. Damals wusste ich es nicht.
Seine Aggressionen blieben und am Ende ist die Situation eskaliert. Er wurde in einem Kampf so schwer verletzt, daß er an den Folgen starb. Und auch wenn mir immer alle sagen, es wäre nicht meine Schuld gewesen, so übernehme ich doch die volle Verantwortung dafür.
Aber ich habe aus diesem Fall sehr viel gelernt.
Der zweite Lehrer
ist Tim. Tim ist ein Border Collie aus dem örtlichen Tierheim. Als er vor nunmehr acht Jahren zu uns kam, war er so voller Angst, daß er nicht laufen konnte. Ich fragte verschiedene Hundetrainer um Hilfe, aber die Methoden erschienen mir alle völlig ungeeignet um einen traumatisierten Hund zu therapieren. Es war brutal, unsensibel, re-traumatisierend – aber nie hilfreich.
Also machte ich die Ausbildung zum Hundetrainer. Um mir selbst zu helfen. Natürlich habe ich da erstmal genau den selben Bockmist gelernt, wie das was ich eigentlich vermeiden wollte. Aber ich bekam etwas mehr Einblick in die Hundewelt und konnte Erfahrungen sammeln und mich dann auf meinen eigenen Weg machen.
Nun zu Tim. Tim hat in den letzten Jahren extrem viel gelernt und sich sehr gut weiter entwickelt. Heute ist es fast möglich, mit ihm an lockerer Leine durch die Innenstadt zu spazieren. Sofern man das möchte.
Aber Tim ist immer noch unsicher. Und er hat Zwangs-Verhalten entwickelt. Damit kompensiert er seine Unsicherheit. Wenn ein Auto vorbei fährt rennt er wie verrückt zum Tor, an der Tür beisst er die anderen Hunde weg, er ist unanständig anhänglich und fast penetrant Nähe- und Harmonie-Bedürftig. Ich habe das zu Anfang fälschlicher Weise als Fortschritt interpretiert. In meinen Augen nahm er endlich am Leben teil.
Ja, ich könnte alleine aufs Klo gehen, aber wer will das schon.
Scherz beiseite. Dieses Verhalten mag dem ein oder anderen vielleicht schmeicheln, aber für den Hund ist es enormer Stress. Er ist nicht entspannt, steht ständig unter Strom. Tim ist jetzt 12 Jahre und wiegt noch immer 16 Kilo. Er kam mit 12 Kilo zu mir und hat bis heute kein Gramm mehr zugenommen. Er besteht bis heute nur aus Knochen, Haut und Muskeln.
Ja, dicke Hunde sind nicht gesund. Aber Hunde die aufgrund von Stress nie zunehmen, auch nicht. Und diese Anhänglichkeit ist ein Zeichen von Stress und Unsicherheit. Leider hab ich auch das zu verantworten und aktuell arbeiten wir daran, ihm diesen Stress zu nehmen.
Das Gute daran: es ist nie zu spät.
Meine Expertise beruht also zum größten und wichtigsten Teil auf Erfahrungen. Seit über vier Jahren lebe ich mit einem Rudel von 8 Straßenhunden zusammen. Ich habe in den letzten Jahren von diesen Hunden extrem viel über Verhalten, Kommunikation und Körpersprache gelernt. Das sind Dinge, die einen das Leben lehrt.
Und ich bin mit meiner Weisheit noch nicht am Ende, ich lerne noch immer. Mit jedem neuen Hund, ob in Pflege oder von Kunden, lerne ich weiter. Denn jeder Hund, jeder Mensch ist einzigartig und kommt mit einer einzigartigen Geschichte.
Ich bin dankbar für all das was ich bis jetzt von diesen Hunden lernen durfte und noch lernen darf.
So bin ich in der Lage meinen Kunden als Mentorin zu dienen und ihnen bei ihren Themen und Problemen zu helfen und sie in ihren Entwicklungsprozessen zu unterstützen.